Startups mit digitalem Geschäftsumfeld: Treiber der Digitalisierung des Mittelstands?

Die Digitalisierung ist, wie gemeinhin bekannt, auf dem Vormarsch. Global setzen Unternehmen und Betriebe zusehends auf digitale Lösungen und Prozesse, absoluter Vorreiter sind dabei China und Saudi-Arabien, sowie in Europa Italien und Frankreich. Das belegt eine aktuelle Studie des European Center for Digital Competitiveness. Deutschland schneidet dagegen vergleichsweise schlecht ab: Die Bundesrepublik befindet sich auf Rang 17 – und das, obwohl Deutschland die größte Wirtschaftsnation Europas darstellt. Diese Defizite in Sachen Digitalisierung sind jedoch längst bekannt, wurden sie im Rahmen der Corona-Krise bereits offengelegt. Besonders hinterherhinkt der deutsche Mittelstand, also kleine und mittelständische Unternehmen. Des Problems Lösung? Laut dem Institut der deutschen Wirtschaft ganz einfach: in der Zusammenarbeit des Mittelstands mit innovativen Start-ups, die bereits digitale Geschäftsmodelle und -umfelder implementiert haben.

Was macht Start-ups so besonders?

Start-ups, also junge Unternehmen, die innerhalb der letzten 10 Jahre gegründet wurden, sind sozusagen inmitten der Digitalen Transformation ‚aufgewachsen‘. Das gab und gibt ihnen noch heute die Möglichkeit, den Wandel nicht nur in Echtzeit in ihre Strukturen zu implementieren, sondern diesen auch mitzugestalten. So in etwa die weitere Automatisierung von Produkten, die Digitalisierung von Schnittstellen, die grundsätzliche Nutzung digitaler Technologien zur Optimierung der Geschäftsmodelle sowie die Entwicklung neuer, digitaler Modelle.

Etablierte Unternehmen des Mittelstandes, die bereits seit mehreren Jahrzehnten am Markt existieren haben hier ganz andere Hindernisse zu bewältigen – so müssen sie nicht nur bestehende Strukturen aufbrechen und Platz für Neue schaffen, sondern insbesondere eine innerbetriebliche Awareness für den Change-Prozess etablieren. Nicht selten verlässt man sich aus Bequemlichkeit auf bestehende Strukturen und Modelle, die Motivation, neue Wege zu gehen ist dabei oftmals gering. Genau hier setzt die Zusammenarbeit zwischen Start-ups und den etablierten KMU an.

Wie kann der etablierte Mittelstand von Start-ups lernen?

Start-ups haben allein durch ihre Natur als Start-up einen ganz anderen Zugang zur Digitalisierung. Wie bereits im vorigen Abschnitt angedeutet, unterscheiden sich bereits die Rahmenbedingungen in der Gründungsphase: Ohne digitale Prozesse und Abläufe ist eine Unternehmensgründung heute kaum mehr möglich.

Ebenso ist eine Unternehmensgründung in der heutigen Zeit, in der wir einen wahren Überfluss an Betrieben wahrnehmen, nur dann langfristig erfolgreich, wenn innovative Geschäftsideen und -konzepte zum Einsatz kommen. Denn nur so kann sich ein Betrieb von einem oder mehreren anderen absetzen und seine Wettbewerbsfähigkeit erhalten. Denn wer braucht schon einen Betrieb, der dasselbe Geschäftsmodell aufweist und dieselbe Zielgruppe bedient, wie bereits 10 weitere vor ihm? Genau hier besteht ein Ansatzpunkt für etablierte Unternehmen, denn sie können von Start-ups nicht nur lernen, wie wichtig Innovation ist, sondern wie Fortschritt auch im Betrieb umgesetzt und gelebt werden kann.

Weiterhin weisen Start-ups mit digitalem Geschäftsumfeld technologisches Know-how, Digitalkompetenzen und ein breiteres Verständnis für digitale Prozesse. Das liegt aber nicht nur daran, dass es sich um Start-ups handelt, vielmehr ist das auf die Personen, die hinter dem Start-up stehen zurückzuführen. Das macht es ebenfalls zu einer Generationssache. Die heutige Generation ist praktisch mit der Digitalisierung aufgewachsen, sie gehen seit jeher Hand in Hand – ganz gleich ob im privaten oder beruflichen Sinne.

Gleichzeitig besitzen kleine- und mittelständische Unternehmen nicht grenzenlose Kapazitäten wie Großkonzerne, ihre Digitalkompetenzen auszubauen.

Vor dem Hintergrund der Arbeitswelt 4.0 sowie der Industrie 4.0, in der ganz neue Geschäftsmodelle, Methoden und Arbeitsweisen zum Einsatz kommen und es zunehmend zu einem Verschwimmen der Grenzen zwischen Tradition und Innovation kommt, hat der Mittelstand deutlich Nachholungsbedarf – Genau hier können KMU von Start-ups lernen, denn viele Start-ups agieren in diesem Grenzbereich.

Neben der Rolle digitaler Abläufe, Methoden und Lösungen ist aber auch die Unternehmensstrategie von Start-ups für den Mittelstand interessant: Viele Start-ups pflegen bspw. enge Beziehungen zu ihren Lieferanten und/ oder Kunden sowie zur Konkurrenz und schaffen damit Unternehmensnetzwerke mit ganz neuen Dimensionen. Denn diese Netzwerke sind primär digital, also Plattformen, in denen stets Kontakt, Austausch und Interaktion stattfinden. Digitale Plattformen bieten dabei weitaus mehr Möglichkeiten als der klassische Branchentreff oder Kollegenforen. Arbeiten KMU und Start-ups zusammen, kann von diesen Netzwerken und dem Know-how demnach optimal profitiert werden.  

Was bietet der Mittelstand?

Da etablierte kleine- und mittelständische Unternehmen und Start-ups meist unterschiedliche Kompetenzprofile aufwiesen, profitieren alle Beteiligten von einer Kooperation. So können Start-ups bspw. neue Methoden leichter und schneller am Markt einem Testlauf unterziehen, der etablierte Mittelstand liefert dagegen Zugang zu seinem Netzwerk an Geschäftspartnern und weiterem Kapital. Weiterer Vorteil der Zusammenarbeit besteht in der Bewältigung des Personalmangels. Bundesweit kämpfen Unternehmen branchenübergreifend um Fachkräfte, kaum einer bleibt von personellen Engpässen verschont. Durch die Kooperation kann dies zumindest teilweise kompensiert werden, in dem das Start-up dem Unternehmen bspw. digitale Prozesse aufzeigt, die zur Automatisierung einzelner Aufgaben dienen und so zumindest stellenweise eine Fachkraft ersetzen können.

5 Potenzielle Probleme in der Zusammenarbeit zwischen Start-ups und dem etablierten Mittelstand</h3

  1. Ein Großteil der etablierten Unternehmen des Mittelstands sind Familienunternehmen mit langjähriger Tradition und Struktur. Start-ups sind es dagegen gewohnt, schnell Entscheidungen zu treffen und mit klassischen Strukturen zu brechen.
  2. Etablierte KMU weisen meist hohes Eigenkapital auf, während Start-ups in der Regel auf externe Finanzierungsquellen und Kreditgeber angewiesen sind.
  3. Etablierte KMU agieren größtenteils regional, während Start-ups, in ihrem Gründerprofil als Digital Natives, mehrheitlich in einem digitalen Umfeld verankert sind.
  4. Der etablierte Mittelstand ist Innovationen gegenüber kritischer eingestellt, sodass sich digitale Prozesse und Lösungen meist nur schleppend in die bestehende Unternehmensstruktur implementieren lassen. Start-ups sind dagegen innovationsgetrieben und lassen, was neue Technologien angeht, keinen Stein unumgedreht.
  5. Während KMU wie Familienunternehmen in vielen Fällen in ländlichen Regionen angesiedelt sind, agieren Start-ups im urbanen Umfeld und sind in der Mehrheit der Fälle in Ballungsräumen und Großstädten anzutreffen.

Fazit

Wenngleich die Zusammenarbeit zwischen dem etablierten Mittelstand und Start-ups gewisse Hürden birgt, bietet sie denn durchaus großes Potenzial. Gerade in Zeiten dynamischen Wandels, in denen Volatilität, Unsicherheit und Komplexität den Markt bestimmen, können so Lösungen gefunden werden, die allen Beteiligten zu einer langfristigen Wettbewerbsfähigkeit verhilft.

Über den Autor:

Thomas May

Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Fachberater für Restrukturierung und Unternehmensplanung (DStV e.V.)

Tel.: +49 7131 72409-0

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