Risikofrüherkennung im Unternehmen

Risikofrüherkennung im Unternehmen

Ordentliches Risikomanagement ist ein wichtiges Thema für Unternehmen, wird häufig jedoch nur mangelhaft betrieben. Seit Anfang des Jahres 2021 gibt es in Deutschland ein neues Gesetz für Risikomanagement und Krisenfrüherkennung. Dieses soll Unternehmen helfen, Krisen rechtzeitig zu erkennen und sie ohne Insolvenz zu bewältigen.

Risikomanagement und Risikofrüherkennung

Mit Risikomanagement ist die systematische Erfassung, Prüfung und Bewertung von Risiken sowie die Steuerung von Reaktionen auf festgesellte Risiken im Unternehmen gemeint. Die Grundlage für ein solches Risikomanagement bildet die Risikofrüherkennung. Hierbei werden potenzielle Risiken mit Hilfe eines Risikofrühwarnsystems ermittelt.

Ausgangslage: Defizit im Risikomanagement

Bereits seit dem Jahr 1988 sind Unternehmen gesetzlich verpflichtet ein Risikofrüherkennungssystem einzurichten. In der Praxis war die Ausarbeitung des Risikomanagements jedoch häufig mangelhaft. Unternehmen sammelten und dokumentierten Unmengen an Risiken, eine Fokussierung auf die wesentlichen sogenannten bestandsgefährdenden Entwicklungen fand jedoch nicht statt. Durch fehlendes Monitoring des „Gesundheitszustandes“ des Unternehmens über geeignete Frühwarnindikatoren war eine Mehrzahl der Risikomanagementsysteme schlicht unwirksam.

Beispiel Wirecard AG: Wirecard hat im Juni 2020 nach eine großen Bilanzskandal Insolvenz angemeldet. Wirft man einen Blick in den Risikobericht des Unternehmens, so wird man viele Male den Begriff Risikomanagement lesen. Bei näherer Betrachtung hat das angegebenen Risikomanagement jedoch offenkundig gravierende Defizite aufzuweisen, beispielsweise aufgrund fehlender adäquater Verfahren für die Risikoaggregation.

Wirecard ist nur ein Beispiel von vielen Unternehmen mit mangelnden oder sogar fehlenden Risikomanagementsystemen. Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber zu Beginn des Jahres 2021 die Anforderungen an Krisen- und Risikomanagementsysteme mit einem neuen Gesetz verschärft: StaRUG. Es enthält unter anderem neue Pflichten und Prüfungsstandards für Unternehmen.

StaRUG: Das neue Gesetz

Das Gesetz über den Stabiliserungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen – kurz StaRUG – ist seit dem 01.01.2021 in Kraft getreten. Für Aktiengesellschaften bestand die Pflicht zur Schaffung eines Früherkennungssystems nach dem Aktiengesetz (AktG) bereits seit mehreren Jahren. StarRUG verpflichtet ergänzend zum AktG nun auch die GmbHs, dazu, im Rahmen ihrer Krisenführerkennung mögliche „bestandsgefährdende Entwicklungen“ frühzeitig zu erkennen. Neben der grundsätzlichen Ausweitung dieser Anforderungen auf GmbHs werden mit dem neuen Gesetz erstmals auch geeignete Gegenmaßnahmen gefordert. Bei der Früherkennung bestandsgefährdender Entwicklungen ist immer eine Kombination aus Risikoanalyse und Risikoaggregation notwendig, da diese Entwicklungen meist aus dem Zusammenspiel mehrerer Einzelrisiken entstehen.

StaRUG ist nicht nur relevant für Unternehmen, die sich bereits in einer Krise befinden. Es richtet sich an alle Unternehmen, da es Anforderungen an die Krisenfrüherkennung und damit das Risikomanagement enthält. Werden diese Anforderungen nicht erfüllt, entstehen Haftungsrisiken für Vorstände und Geschäftsführer. Zu Beginn des Gesetzes ist diesbezüglich folgendes definiert:

(1) Die Mitglieder des zur Geschäftsführung berufenen Organs einer juristischen Person (Geschäftsleiter) wachen fortlaufend über Entwicklungen, welche den Fortbestand der juristischen Person gefährden können. Erkennen sie solche Entwicklungen, ergreifen sie geeignete Gegenmaßnahmen und erstatten den zur Überwachung der Geschäftsleitung berufenen Organen (Überwachungsorganen) unverzüglich Bericht. […]"

Drohende Zahlungsunfähigkeit

Das Gesetz definiert auch den Begriff der drohenden Zahlungsunfähigkeit. Von einer solchen kann ausgegangen werden, wenn die Durchfinanzierung des Unternehmens nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in den nächsten 24 Monaten gewährleistet ist. Damit die drohende Zahlungsunfähigkeit korrekt beurteilt werden kann, ist eine integrierte Unternehmensplanung samt zugehöriger Liquiditätsprognose erforderlich. Bei der Unternehmensplanung müssen neben Investitionen auch auslaufende Darlehen (oder Anleihen) berücksichtigt werden.

Ampelstruktur bei der Risikofrüherkennung

Bei einem Krisen- bzw. Risikofrüherkennungssystem sollte in jedem Fall zwischen drei Fällen unterschieden werden. Diese lassen sich in Form einer „Warnampel“ für Krisensituationen darstellen:

  1. Grüne Ampel: keine (gravierenden) Krisen
    Wenn sich das Unternehmen in keiner gravierenden Krise befindet und die Insolvenzwahrscheinlichkeit beispielweise unter dem typischen Schwellenwert von 5% bleibt, ist soweit alles in Ordnung.
  2. Gelbe Ampel: (drohende) bestandsgefährdende Entwicklungen
    Eine schwere Krise verbunden mit einer Insolvenzwahrscheinlichkeit von über 5% oder über 10% ist eine bestandsgefährdende Entwicklung. Es handelt sich um eine Vorstufe der Insolvenz, welche zu diesem Zeitpunkt durch geeignete Maßnahmen noch abgewendet werden kann. Laut StaRUG ist die Unternehmensleitung spätestens bei dieser Stufe verpflichtet, über geeignete Gegenmaßnahmen für die Unternehmenssicherung nachzudenken.
  3. Rote Ampel: Insolvenz
    Ist die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens nicht mehr abzuwenden, muss ein Insolvenzantrag gestellt werden. Auf diesen folgt nach eingehender Prüfung ein Insolvenzverfahren, in welchem über die weitere Zukunft des Unternehmens bestimmt wird.

Das sollten Unternehmen tun

Für Unternehmen ergeben sich aus dem neuen Gesetz verschiedene weitere Implikationen, die zur Verbesserung der Krisenprävention und des Risikomanagements umgesetzt werden sollten:

  1. Risikofrüherkennungssystem einsetzen
    Wenn es nicht bereits geschehen ist, sollte im Unternehmen unbedingt ein Risikofrüherkennungssystem eingeführt werden, welches durch Risikoanalyse und Risikoaggregation mögliche „bestandsgefährdende Entwicklungen“ rechtzeitig erkennt. Gerade die möglichen Kombinationseffekte von Einzelrisiken müssen hier beachtet werden.
  2. Schwellenwert für die Insolvenzwahrscheinlichkeit
    Aufgabe der Unternehmensführung ist es, den „Grad der Bestandsgefährdung“ also die Insolvenzwahrscheinlichkeit einzuschätzen. Hierfür sollte ein Schwellenwert festgelegt werden, ab dem von einer akuten Krisenlage auszugehen ist. Diese fordert dann weitere Handlungen.
  3. Handlungsplan entwerfen
    Für denn Fall, dass Reaktionen auf eine drohende Krise und gravierende Risiken notwendig werden, sollten Regelungen vorbereitet werden. Ein Handlungs- bzw. Restrukturierungsplan hilft dabei, in einer kritischem Gefährdungslage eine mögliche Krise durch entsprechende Maßnahmen noch abzuwenden.

Grundsätzlich ist wichtig, dass ein Unternehmen über ein seiner Größe angemessenes System zur Risikofrüherkennung verfügt. Die Schaffung einer Liquiditätsplanung spielt hier ebenfalls eine zentrale Rolle. Das IDW hat in einer Stellungnahme Anregungen für die Gestaltung einer solchen Liquiditätsplanung veröffentlicht.

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