Mehrfacher Erwerb desselben Vermögens: So funktioniert die Steuerermäßigung nach § 27 ErbStG

Mehrfacher Erwerb desselben Vermögens: So funktioniert die Steuerermäßigung nach § 27 ErbStG

Der mehrfache Erwerb desselben Vermögens stellt ein spezielles erbschaftsteuerliches Thema dar, das insbesondere Personen der Steuerklasse 1 betrifft. In der Praxis kommt diese Regelung immer dann zum Tragen, wenn Vermögen innerhalb von maximal zehn Jahren mehrfach vererbt wird. Ziel des Gesetzgebers ist es, eine mehrfache Besteuerung desselben Vermögens zu vermeiden und die Belastung der Erben zu reduzieren. In diesem Artikel erfahren Sie detailliert, wie § 27 ErbStG angewendet wird, welche Vermögensarten begünstigt sind und wie die Berechnung der Steuerermäßigung erfolgt.

Was versteht man unter dem mehrfachen Erwerb desselben Vermögens?

Der mehrfache Erwerb desselben Vermögens liegt vor, wenn Vermögen, das bereits einmal versteuert wurde, innerhalb von zehn Jahren erneut von einer Person der Steuerklasse 1 erworben wird. Typische Fälle sind:

  • Erbe von Grundstücken oder Immobilien
  • Wertpapierdepots, Tagesgeldkonten oder andere liquide Vermögenswerte
  • Beteiligungen an Personengesellschaften

Wer wird durch § 27 ErbStG begünstigt?

Die Steuerbegünstigung nach § 27 ErbStG gilt ausschließlich für Personen der Steuerklasse 1. Dazu gehören:

Begünstigte Personen

Beispiele

Ehegatten und Lebenspartner

Ehefrau, Ehemann, eingetragene Lebenspartner

Kinder

leibliche Kinder

Stiefkinder

Kinder des Ehepartners oder Lebenspartners

Abkömmlinge der Kinder und Stiefkinder

Enkelkinder, Urenkel

Eltern und Voreltern

bei Erwerb von Todes wegen

Wichtig ist, dass es mindestens zwei Steuerfälle geben muss: ein Vorerwerb und ein Nacherwerb. Die konkrete familiäre Beziehung zwischen dem Erwerber im zweiten Steuerfall und dem Erblasser im ersten Steuerfall ist nicht entscheidend. Entscheidend ist allein die Steuerklasse der Beteiligten.

Welche Vermögenswerte sind begünstigt?

Für die Anwendung von § 27 ErbStG ist entscheidend, dass es sich um dasselbe Vermögen handelt. Dies erfordert einen sogenannten Nämlichkeitsnachweis, der in der Steuererklärung beizufügen ist. Typische begünstigte Vermögenswerte sind Immobilien, Grundstücke und Wertpapierdepots. Vermögen, das zusätzlich übergeht, wie etwa ein Sparbuch, ein Tagesgeldkonto oder Beteiligungen an Unternehmen, fällt nicht unter die Begünstigung, selbst wenn es aus den Erträgen des ursprünglichen Vermögens stammt.

 

Ein anschauliches Beispiel: Wenn eine Mutter zwei Grundstücke an ihre Tochter vererbt und diese verstirbt, können die Enkelkinder die Steuerbegünstigung für diese beiden Grundstücke in Anspruch nehmen, während etwaige zusätzlich geerbte Konten oder Depots nicht begünstigt sind.

Berechnung der Steuerermäßigung nach § 27 ErbStG

Die Ermäßigung der Erbschaftsteuer richtet sich nach dem Zeitabstand zwischen den beiden Erwerben. Der Gesetzgeber definiert abgestufte Prozentsätze:

Zeitspanne zwischen Erwerben

Ermäßigung (%)

nicht mehr als 1 Jahr

50

mehr als 1 Jahr, ≤ 2 Jahre

45

mehr als 2 Jahre, ≤ 3 Jahre

40

mehr als 3 Jahre, ≤ 4 Jahre

35

mehr als 4 Jahre, ≤ 5 Jahre

30

mehr als 5 Jahre, ≤ 6 Jahre

25

mehr als 6 Jahre, ≤ 8 Jahre

20

mehr als 8 Jahre, ≤ 10 Jahre

10

Die Steuerermäßigung darf jedoch den Steuerbetrag, den der Vorerwerber für dasselbe Vermögen entrichtet hat, nicht überschreiten. Dies verhindert, dass die Steuer künstlich stark reduziert wird und gewährleistet, dass das Finanzamt nur die Doppelbesteuerung mindert, nicht die ursprüngliche Steuerlast vollständig aufhebt.

Schritt-für-Schritt Berechnung

Die Ermittlung der Steuerermäßigung erfolgt in mehreren Schritten:

  1. Ermittlung des begünstigten Vermögens
    • Nettovermögen = Vermögenswert – unmittelbar zuordenbare Schulden
  2. Berechnung des Anteils am Gesamtvermögen
    • Verhältnis begünstigtes Vermögen / Gesamterwerb
  3. Anwendung des Ermäßigungssatzes
    • Ermäßigung = anteilige Erbschaftsteuer × Ermäßigungssatz
  4. Höchstbetrag prüfen
    • Vergleich mit Steuerbetrag des Vorerwerbs

Beispiel:

  • Großvater G vermacht Enkel E ein Wertpapierdepot (Wert: 1 Mio. €, Schuld: 100.000 €).
  • Erbschaftsteuer bei E: 133.000 €.
  • E verstirbt nach 4 Jahren, Erbin F. Gesamtvermögen: 2,2 Mio. €, Schuld: 600.000 €.
  • Anteil des begünstigten Vermögens: 900.000 / 1.600.000 = 56,25 %.
  • Ermäßigung: 89.102 € × 35 % = 31.186 €
  • Festzusetzende Erbschaftsteuer: 158.403 € – 31.186 € = 127.217 €

Besonderheiten und Hinweise

Verbindlichkeiten und Lasten:

Schulden, die im Zusammenhang mit dem mehrfach erworbenen Vermögen stehen, müssen prozentual auf die Ermäßigung aufgeteilt werden.

Wertsteigerung oder -minderung:

Eine Wertsteigerung zwischen den Erwerben erhöht nicht die Ermäßigung; Wertminderungen reduzieren diese anteilig.

Mehrere Erwerber:

Bei mehreren Erben wird der Höchstbetrag der Ermäßigung proportional aufgeteilt.

Ausländisches Vermögen:

Ein nach ausländischem Recht versteuerter Vorerwerb ist nicht begünstigt.

Praxisrelevanz und Beispiele

Die Regelung des mehrfachen Erwerbs desselben Vermögens ist in der Praxis besonders relevant für Familienvermögen, das über Generationen weitergegeben wird. Sie kommt häufig bei:

  • Immobilien innerhalb der Familie
  • Unternehmensanteilen und Beteiligungen
  • Wertpapierdepots und liquiden Anlagen

Die steuerliche Entlastung kann erheblich sein, insbesondere wenn der Vermögensübergang innerhalb weniger Jahre erfolgt. Sie erlaubt es den Erben, die finanzielle Belastung durch die Erbschaftsteuer zu reduzieren, ohne dass die ursprünglich gezahlte Steuer verloren geht.

 

Beispiel 1 – Wertsteigerung des Vermögens:

  • Wertpapierdepot steigt von 1.000.000 € auf 1.500.000 €.
  • Ermäßigung wird nur auf den ursprünglichen Wert von 1.000.000 € angewendet.

Beispiel 2 – Wertminderung:

  • Depot sinkt auf 800.000 € zwischen Vorerwerb und Nacherwerb.
  • Ermäßigung wird anteilig gemindert.

Beispiel 3 – Kombination verschiedener Vermögensarten:

  • Grundstück I ist begünstigt, während ein aus Verkaufserlösen erworbenes Depot nicht unter § 27 fällt.

Zusammenfassung

Der mehrfache Erwerb desselben Vermögens nach § 27 ErbStG ist ein wirksames Instrument, um eine mehrfache Besteuerung innerhalb von zehn Jahren zu vermeiden. Die Regelung richtet sich an Personen der Steuerklasse 1, insbesondere Kinder, Ehegatten und Enkelkinder, und betrifft immobilien- und kapitalintensive Vermögenswerte.

 

Wesentliche Punkte im Überblick:

  • Begünstigt ist nur dasselbe Vermögen, das bereits einmal versteuert wurde.
  • Ermäßigung abhängig von Zeitspanne zwischen den Erwerben (10–50 %).
  • Höchstbetrag entspricht der Steuer des Vorerwerbs.
  • Wertsteigerungen sind nicht begünstigt, Wertminderungen werden berücksichtigt.
  • Schulden und Lasten werden anteilig berücksichtigt.

 

Unter Berücksichtigung dieser Punkte kann die Erbschaftsteuer für den Nacherwerber signifikant reduziert werden, was gerade bei langfristigen Vermögensübertragungen innerhalb der Familie finanziell entscheidend ist.

Über den Autor:

Thomas May

Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Fachberater für Restrukturierung und Unternehmensplanung (DStV e.V.)

Tel.: +49 7131 72409-0

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