Kennzahlen zur Krisenfrüherkennung in Unternehmen

Unternehmen und Betriebe werden aus wirtschaftlicher Perspektive im Allgemeinen in erster Linie an ihren Erfolgen finanzieller Natur gemessen. Allerdings können auch in hoch profitablen Unternehmen unzählige unterschiedliche Faktoren Einfluss darauf nehmen, eine mögliche unternehmerische Schieflage hervorzurufen. Damit in diesem Bereich präventiv, also bereits vor dem Eintritt einer solchen Unternehmenskrise, potenzielle Gefahrenquellen und Risikofaktoren erkannt und nach Möglichkeit eliminiert oder abgewendet werden können, wurde der Fokus in der Vergangenheit immer stärker auf die Einrichtung eines umfassenden Krisenmanagements (auch: Riskmanagement) gerichtet, dessen Aufgabe nicht nur in dem richtigen Umgang mit bereits eingetretenen Krisen, sondern auch in der Früherkennung und Behandlung von potentiellen Risikobereichen liegt. Wir haben Ihnen in diesem Artikel übersichtlich zusammengefasst, was es mit dem Riskmanagement in Unternehmen auf sich hat und welche Kennzahlen optimal zur Krisenfrüherkennung geeignet sind.

Welche Krisen kommen in Unternehmen vor?

Generell wird unter der Bezeichnung „Unternehmenskrise“ die Gefahr für das Fortbestehen eines gesamten Unternehmens oder aber wesentlicher Unternehmensbereiche verstanden. Das Thema wird dabei in den meisten Fällen aufgrund der offensichtlichen Relevanz direkt von der Führungsetage des Unternehmens besprochen und bearbeitet. Der schlimmste mögliche Fall, der während oder nach einer Unternehmenskrise eintreten kann, ist eine potenzielle Insolvenz des betroffenen Unternehmens, welche die Einstellung aller Geschäfte sowie den Wegfall der Arbeitsplätze nach sich zieht.

Um die Gründe für eine solche unternehmerische Schieflage sowie die dadurch hervorgerufenen Auswirkungen in den Unternehmen richtig beschreiben und einordnen zu können, lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit, verbunden mit einer Analyse vorangegangener Unternehmensinsolvenzen: Verschiedene Untersuchungen und Berichte kommen zu dem Schluss, dass eine negative Zahlungsmoral der Kunden des Unternehmens beziehungsweise des Marktes, in welchem sich das Unternehmen bewegt, in vielen Fällen einen großen Einfluss auf die Entstehung einer Unternehmenskrise hatte. Auch rechtliche Aspekte hatten demnach bei vielen Unternehmen maßgeblich zu einer Fehlentwicklung beigetragen, insbesondere das geltende Arbeits- und Sozialrecht. Und auch endogene, also vom Unternehmen beeinflussbare interne Faktoren können verstärkt zu einer solchen Situation führen, unter anderem sind dabei Fehlentscheidungen des Managements, die Vernachlässigung des Controllings in wichtigen Bereichen, mangelnde Kommunikation und Transparenz innerhalb des Unternehmens oder große Finanzierungslücken zu nennen.

Die unterschiedlichen Phasen von Unternehmenskrisen können in einem idealtypischen Ablauf zusammengefasst werden, welcher mit der sogenannten Stakeholderkrise, also einer internen Uneinigkeit und Führungsschwäche, beginnt und danach in die strategische Krisenphase übergeht. Während dieser Strategiekrise werden aufgrund einer unklaren Positionierung und Ausrichtung des Unternehmens potenziell wichtige Wettbewerbsvorteile nicht mehr genutzt, was sich wiederum auf den gesamten Verkaufserfolg auswirkt – die sogenannte Produkt- und Absatzkrise. Falls hier nicht zeitnah zielführende Maßnahmen durchgesetzt werden, kann es zu einer längerfristigen Erfolgskrise mit teilweise sogar negativen Gesamtergebnissen des Unternehmens kommen, welche häufig auch mit der fehlenden Möglichkeit, die zur Lösung der Probleme benötigten Zahlungsmittel aufzubringen, einhergeht. Im letzten und schlimmstmöglichen Schritt gelangt das Unternehmen dann schlussendlich in eine Liquiditätskrise, welche die akute Gefahr einer Zahlungsunfähigkeit und einer damit verbundenen Insolvenzanmeldung birgt.

Wie unterstützen Kennzahlen bei der Krisenfrüherkennung?

Zunächst einmal ist es wichtig und spannend zu erwähnen, dass die Geschäftsführung eines Unternehmens und Betriebs dazu verpflichtet ist, belastbare Kontrollmechanismen zur Krisenfrüherkennung sicherzustellen, um ihren gesetzlichen Pflichten zur Sicherung des Fortbestands des Unternehmens nachzukommen. Über mögliche Ereignisse, welche im Rahmen einer solchen präventiven Vorkehrung erkannt und als relevant eingestuft werden, müssen die Aufsichtsorgane, insbesondere die Gesellschafterversammlung, des Unternehmens informiert und diesen ausführliche Berichte sowie eingeleitete geeignete Gegenmaßnahmen vorgelegt werden.

Auch aufgrund der gesetzlichen Verpflichtungen wird ein ausgeprägtes Controlling deshalb immer wichtiger für das Risk- oder Krisenmanagement in Unternehmen. Die Grundlage eines solchen Controllings bilden dabei im besten Fall relevante Kennzahlen, welche oft komplexe Sachverhalte aus verschiedenen Unternehmensbereichen komprimiert und miteinander vergleichbar aufbereiten und dabei jederzeit von den dafür Verantwortlichen eingesehen werden können sollten.

Wichtige und verbreitete Kennzahlen

Die Kennzahlen eines Unternehmens werden in verschiedenen Bereichen ermittelt und lassen sich somit üblicherweise bequem in unterschiedliche Kategorien einteilen. So könnte beispielsweise die Finanzabteilung Kennzahlen bezüglich der Ergebnisse, der Liquidität und Rentabilität oder des Unternehmensvermögens vorweisen, während das Marketing eventuell andere Kennzahlen wie beispielsweise die Kundenbindung und -zufriedenheit, Marktanalysen oder Ergebnisse aus Kundenbefragungen verwaltet.

Außerdem kann grundlegend zwischen absoluten und relativen Kennzahlen unterschieden werden – erstere treten meist in Form von Einzel- oder Durchschnittswerten und Summen auf, während relative Kennzahlen die Verhältnisse dieser ermittelten Werte zueinander beschreiben und somit häufig deutlich aussagekräftiger sind.

Auf der Grundlage von bestimmten Kennzahlen können nun wichtige unternehmerische Entscheidungen getroffen und durch die Daten bekräftigt werden, anstatt nur durch Annahmen oder Hypothesen gestützt zu werden. Wichtig bleibt allerdings trotzdem zu beachten, dass alleine die Kennzahlen keine richtigen Entscheidungen herbeiführen oder den Fortbestand des Unternehmens sichern werden. Viel mehr liegt es an den dafür verantwortlichen Personen, diese in geeigneter Art und Weise zu visualieren, miteinander ins Verhältnis zu setzen und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen, um tatsächlich datengetriebene, nachhaltige Entscheidungen treffen zu können.

Die bekanntesten Kennzahlen, welche in nahezu jedem Unternehmen oder Betrieb betrachtet werden sollten und helfen können, kommen aus dem Finanzbereich und entstehen dort häufig auf Grundlage der Bilanzanalyse. Unter anderem sind hier die Eigenkapitalquote, der Verschuldungsgrad, die Gesamtkapitalrentabilität oder der Anlagendeckungsgrad zu nennen. Für die Analyse von möglichen Gefahrenquellen hinsichtlich der Überlebensfähigkeit des Unternehmens sind besonders die Liquidität sowie die (Jahres-)Ergebnisse des Unternehmens, letztere besonders im zeitlichen Verlauf, relevant und können im Falle eines sich anbahnenden Risikos eine frühzeitige Warnung liefern. Deutlich wird dabei außerdem, dass besonders die kontinuierliche Betrachtung der Kennzahlen über einen im besten Falle längeren Zeitraum der Vergangenheit die deutlichsten und genauesten Einblicke in die tatsächliche Entwicklung und Leistung des Unternehmens gibt. Die Schwierigkeit besteht anschließend drin, die Prognosequalität dieser Einblicke durch eine geeignete Kombination der Kennzahlen so zu erhöhen, dass krisengefährdete Unternehmen oder Unternehmensbereiche frühzeitig identifiziert werden können und die Kennzahlen im besten Falle auch direkt Rückschlüsse auf mögliche Fehlerquellen zulassen. Beispielhaft angeführt werden kann hier die Kreditversicherung Euler Hermes, welche als Marktführer eine aus drei Kennzahlen bestehende Kombination verwendet, um eine Prognose über drohende Insolvenzen herzustellen und davon betroffene Unternehmen zu identifizieren:

  • Gesamtkapitalrentabilität (Durchschnitt: 10-14% / kritisch ab ca. 7% und weniger)
  • Eigenkapitalquote (Durchschnitt: 30% / kritisch ab ca. 20% und weniger)
  • Zinsdeckungsquote (Durchschnitt: 3% / kritisch ab ca. 0,8% und weniger)

 

Über den Autor:

Thomas May

Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Fachberater für Restrukturierung und Unternehmensplanung (DStV e.V.)

Tel.: +49 7131 72409-0

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